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Wie mein Vater Hitler den Krieg erklärte

 

Felix Schmidt

 

Roman

ca. 160 Seiten

Gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen

Erscheint im Februar 2022

€ 22,00 (D) | € 22,60 (AT)
ISBN: 978-3-95510-275-3

Auch als eBook erhältlich

 

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Der größte Teil des Lebens ist gelebt, die Tage sind gekommen, in denen die Lebensernte eingefahren wird. Vieles, was er sich vorgenommen hatte, hat er erreicht, manches, was er erreichen wollte, ist auf der Strecke geblieben. Eine Begebenheit hat in all dem Drunter und Drüber, das seinen Lebensweg so holprig machte, zeitlebens im Unterbewussten rumort. Der Vater, Küfermeister in einer südbadischen Kleinstadt, kehrt bereits im ersten Kriegsjahr schwer verwundet, kriegsuntauglich und desillusioniert zurück nach Hause. Er macht aus seiner Abneigung gegen den NS-Staat keinen Hehl. In der Werkstatt, am Wirtshaustisch sagt er, was er über Adolf Hitler und »seine Bande« denkt: »Die müssen wieder weg.« Der Ortsgruppenleiter verwarnt ihn, aber er lässt sich nicht mundtot machen und bringt mit seiner Renitenz sich und seine Familie in existenzbedrohende Schwierigkeiten und sich schließlich ins Gefängnis. Nach Kriegsende drängen auch jene wieder zur Geltung, die das Leben des Vaters beschädigt haben, der Lehrer zum Beispiel. Damit wird er nicht fertig. Er hält sich nun mehr und mehr im Wirtshaus auf, kommt ins Saufen, zerstört die Familie. Der Sohn, der Ich-Erzähler des Romans, ist ein introvertiertes, leicht versponnenes, überängstliches Kind, das unter der Unbesonnenheit und gelegentlichen Brutalität des Vaters leidet und viele Stunden im Luftschutzkeller verbringt, auch wenn es keinen Fliegeralarm gibt. Die Großmutter tröstet ihn, wenn seine Angst vor dem Vater übermächtig wird. Oben in der Mansarde hört er, wenn der Vater betrunken nach Hause kommt und in der Küche mit Geschirr um sich wirft.


 

Wie mein Vater Hitler den Krieg erklärte

Felix Schmidt

gehört zu den einflussreichsten Journalisten des Landes . Als Ressortleiter Kultur des Spiegel, als Chefredakteur der Welt am Sonntag und des Stern sowie als Programmdirektor des Südwestfunks prägte er das publizistische Leben seit den 1970er-Jahren in Deutschland mit. Er war unter anderem Produzent der ersten deutschen politischen Talksendung Talk im Turm und hat die ZDF-Sendung Das Philosophische Quartett ins Leben gerufen. Für sein Buch über die Geschichte des französischen Chansons ist er mit dem französischen Kulturorden »Chevalier des Arts et des Lettres« ausgezeichnet worden.
Der Autor steht für Lesungen zur Verfügung.

 


 

Schmidt

Aktueller Kommentar von Felix Schmidt

 

In einer Online-Leserunde, die sich gerade über mehrere Wochen mit meinem neuen Roman „Wie mein Vater Hitler den Krieg erklärte“ beschäftigt, las ich den Satz einer Teilnehmerin: „Wie sich die Bilder gleichen.“
Es ist ein Hinweis darauf, dass vieles vom Grauen und den Gräueln der Nazis, wie ich sie in meinem Buch im Kleinen beschreibe, dieser Tage im Großen in den Nachrichten und Reportagen vom Ukraine-Krieg wiederkehren: das gellende Stakkato der Geschosse, das Zerbersten der Bomben, die verzweifelten Menschen, die in Kellern, zitternd vor Angst um ihr Leben, Schutz suchen. Wie damals am Ende des Zweiten Weltkrieges, als ich mich vor Bomben und Granaten in einem Kellergeschoss in Sicherheit brachte.
Hinter den Bildern von Terror und verbrannter Erde, die ich allabendlich in den Frontberichten aus der Ukraine sehe, tauchen wieder die gespenstischen Szenen von damals auf: die Phosphorbombe, die direkt vor dem Elternhaus niederkrachte und deren Druck die Fenster zersplitterte und das Dach abdeckte; die Flugzeuge, die im Sturzflug zwei Bauern auf einem Zuckerrübenfeld in meiner unmittelbaren Nähe mit einer Maschinengewehrsalve niedermähten.

Sie schossen auf alles, was sich bewegte. Wenn ich die Busse mit den ukrainischen Flüchtlingen an der polnisch-russischen Grenze sehe, werden wieder die Bilder von den Flüchtlingen wach, die am Ende des Zweiten Weltkrieges in Scharen umherirrten und um Brot und Unterkunft bettelten. All das hatte eine so erschütternde Wirkung auf mich, die mich seither als Lebensangst begleitet.

Die aktuellen Schilderungen aus der russischen Hauptstadt, in der tagtäglich Hunderte Menschen von der Straße weg eingesperrt werden, weil sie es wagen gegen den von ihrem skrupellosen Herrscher angezettelten Krieg zu protestieren, wecken die Erinnerung an meinen Vater, der eingesperrt wurde, weil er sich nicht in die staatskonforme Gesinnung zwingen ließ. Er gehörte nicht zur Mehrheit der Bevölkerung, die autoritätshörig an die „gerechte Sache“ und an die Notwendigkeit dessen glaubte, was der „Führer“ tat. So ist es auch heute in Russland, wo es einem lupenreinen Lügner gelingt, mit falschen Informationen und heroischem Geschrei die Mehrheit des Volkes hinter sich zu bringen.
Wie sich die Bilder gleichen.